Friedenswaisen
73 Gedichte von Heike F. M. Neumann mit 14 Werken von Harald Reiner Gratz
"...losgelöst von mutters herd und gottes gnaden" geht Heike F. M. Neumann durch Zeit und Raum. Sie sammelt Augenblicke. Ihre Gedichte sind luftige Gewänder, eine Poesie, die nach Leben duftet und klingt. Ihre Leichtigkeit ist erdenschwer. Der Frieden tröstet seine Waisen mit Erinnerungen in einer Sprache, die fasziniert durch ihre Bilder. Sie ist ein ästhetischer Genuss, der durch die Bilder von Harald Reiner Gratz verstärkt wird und zu einer berührenden Reise einlädt.
Dorothea Iser
Textauszug:
der rabe wars
der rabe wars
der noah zwang den seinen zuliebe
die taube hinterherzuschicken
er wusste ja sie fliegt nicht aus dem kreis
der ihr bekannt und
kommt auf jeden fall zurück
auf seine hand
die futter gibt und zärtlich streichelt
der rabe wars der ewig unbekannte
der in der ferne ihm von neuer heimat sang
der unbezähmbar schlaue der nur sich selbst vertraut
und fliegt und fliegt und ganz am ende
weise lächelt
der rabe wars
nicht die taube die den ölzweig aus der flut
zum nesterbauen brachte
nach allem was man weiß:
nicht die sanfte taube wars
es war - der wilde rabe
alter schneepflug
die hölzernen wände waren unser boot
die rostigen ketten ankerten am fuß der sommerau
kein zollbreit boden dem feindlichen heer
die siege waren unser land und meer
fäuste statt schwerter aus eisen
wir waren indianer timur und sein trupp
räuber niemals gendarmen
wir waren friedenswaisen
losgelöst von mutters herd und gottes gnaden