Eines Tages heißt es für uns zwölf Jungen, wir sollen uns so sauber wie möglich waschen und ankleiden. Gemeinsam gehen wir dann zu einem Fotografen, der sich jeden Einzelnen von uns vorknöpft. Vor einem großen Holzkasten stellt er uns in die von ihm gewünschte Positur. Ich starre durch die Kameralinse, sehe einen meiner Kameraden darin kopfunter, es ist sehr lustig.
Später sehen wir uns alle wieder im Vorspann eines Märchenfilmes. Es läuft die Filmaktion "Kinder suchen ihre Eltern!" Beim Erscheinen meines Konterfeis erklärt der Sprecher mit monotoner Stimme: Bei dem dargestellten Jungen handelt es sich um "Rolf", geboren vermutlich 1938, Familienname unbekannt, vermutlich aus Ostpreußen.
Textauszug:
"Alles weg von den Wagen, lauft um euer Leben!"
Diese Aufforderung hört jeder im Treck. Ich liege auf unserem Gefährt oben im Heu. Ich sehe alle schreiend auseinanderlaufen, hinein in das morastige Gelände, das noch nicht hartgefroren ist. Auch ich werde von Panik ergriffen, versuche verzweifelt vom Wagen zu kommen. Es geht nicht. Mein linkes Bein klemmt in irgendeiner Spalte unter dem Heu. Aus dem Augenwinkel sehe ich zwei, drei Jagdflugzeuge im Tiefflug auf unseren Treck zurasen. Sie kommen direkt aus Richtung der aufgehenden Sonne und sie feuern mit ihren Bordwaffen aus allen Rohren. Meine alten Leutchen können oder wollen wohl nicht vom Treck fliehen. Sie halten sich vorn am Kopf des Pferdes auf und versuchen das unruhige Tier zu beruhigen. Wie lange dieser Angriff auf uns wehrlose Menschen andauerte, weiß ich nicht mehr.
Mit der vorhergehenden Ruhe ist es nun endgültig vorbei. Als dieser heimtückische Überfall vorbei ist, befällt mich das nackte Entsetzen. Es ist dieser unbeschreibliche Lärm, der mich an meinem Zufluchtsort fast erdrückt. Von allen Seiten ertönen Schreie um Hilfe, dazu das Wiehern getroffener Pferde. Es ist der totale Wahnsinn. Losgerissene Pferde, die noch unverletzt sind, trampeln alles in den Morast, was ihnen in die Quere kommt. Irgendwie bekomme ich meinen Fuß doch aus dieser verdammten Kiste. Ich klettere mühselig mit meinem lahmenden Bein auf den Wagen nach vorne. Trostlos ist das, was ich dort zu sehen bekomme. Dort, wo sie vordem noch stand, liegt die alte Frau im Dreck, rührt sich nicht mehr.
Das Pferd liegt auf der Seite, bewegt sich auch nicht. Die Gedärme liegen seitlich daneben im Schlamm. Überall ist Blut, schrecklich.