Noch fliegt Kater Abraham mit Tanja davon, wenn Lukas nicht endlich bemerkt, wie ihr in seiner Nähe wird. Noch ist sie neugierig auf den ersten Kuss, ihr erstes Date mit ihm. Ihrer Freundin Lissy geht es nicht anders. Sie sehnt sich nach Florian und ahnt, wie kompliziert Beziehungen sein können. Der behinderte Vater findet einen Platz in ihrem Fühlen. Das wird wachsen. Auch Holger begibt sich auf einen schwierigen Weg. Seine Mutter will nicht, dass er wie der Vater wird, der sie verlassen hat. Sie treibt ihren Sohn in eine verzweifelte Lage. Er muss töten, was er liebt. Wie wird er damit leben?
Alle drei sind Schüler in der gleichen Klasse eines Gymnasiums. Wie bei einem Dominospiel wird ein passender Stein an den anderen gelegt. Die letzte und die erste Geschichte schließen den Kreis. Wer liest, beginnt ein neues Spiel. Sein eigenes.
Textauszug:
Lissy greift ihre Schulmappe. Mit den anderen verlässt sie den Raum. Auf dem Schulhof ist sie allein. Tanja hängt bei den anderen Mädchen rum. Die lachen. Schöne Freundinnen sind das, denkt Lissy. Das ist der einzige Gedanke in ihrem Kopf. Bis sie die Jungen entdeckt. Die stehen unter der Linde. Florian dreht ihr den Rücken zu. Wenn er sich umdreht, wird er sie sehen. Lissy geht ihm zehn Schritte entgegen. Danach bleibt sie stehen. Sie schließt die Augen und zählt in Gedanken vor sich hin. Bei zehn, denkt sie, bei zehn wird er sich umdrehen. Fünf, sechs, sieben, Lissy blinzelt. Nichts hat sich verändert. Acht, neun, zehn. Langsam öffnet sie die Augen. Nichts passiert. Weil ich gemogelt habe, denkt sie. Außerdem muss ich langsamer zählen. Sie beginnt von vorn.
Augen zu, befiehlt sie sich und nicht wieder blinzeln
Eins.
Eine Ewigkeit vergeht.
Zwei.
Lissy wird angerempelt. Pass doch auf, faucht sie.
Drei.
Florian, denkt sie. Nur Florian. Wenn einer so sehr an den anderen denkt, das muss der doch merken.
Vier.
Sein Name füllt ihr den Kopf aus. Macht ihn schwer. Selbst das Haar kräuselt sich vor Anstrengung.
Fünf.
Ob er sie schon gesehen hat?
Sechs.
Sie darf die Augen nicht öffnen.
Sieben.
Kommt er ihr etwa schon entgegen.
Acht.
Ein Kuss. Das wäre hammermäßig. Mitten auf dem Schulhof. Hartmann müsste Aufsicht haben.
Neun.
Schön, dass ich dich treffe, sagt eine Stimme. Lissy lässt sich nicht beirren.
Zehn.
Augen auf!
Ein Mann steht vor ihr. Sie kennt ihn. Ein Herr Krüger, er ist Sozialarbeiter. Was will er von ihr? Er versperrt ihr die Sicht auf Florian. Ist etwas mit ihrem Vater? Sie fühlt einen Stich im Magen. Sie will nicht hören, was der Krüger sagt. Wenn du Probleme hast... irgendwann hört sie diese Worte doch.
Was denn für Probleme?
Mit deinem Vater.
Ich habe keinen Vater, ich habe keine Probleme.
Wenn du es dir anders überlegst, sagt Krüger, du weißt ja, wo ich zu erreichen bin.
Lissy hebt die linke Schulter und lässt sie lässig fallen. Und wenn schon, bedeutet das. Das geht keinen etwas an. Die Mutter sagt das auch. Leute, die behaupten, sie wollen helfen, kann sie nicht leiden. Krüger soll endlich gehen.