Ein lyrischer Rundgang durch Thüringer Orte.
Eine Begegnung mit Orten - allgemein, mit Orten - konkret sowie die Frage nach ihrer Bedeutung.
Textauszug:
Orte - allgemein
Da Orte
zögernd auf mich lauern
und Tagesschwere sie erfüllt -
wo kann ich letztlich
überdauern,
wo wird die Sehnsucht
mir gestillt?
Ich wandre tief
zu manchen Stellen,
Weg-abwärts, Gassen-eng,
hin zu Kirchen, Burgen, hellen
Plätzen, und ich dräng mich durch Menschen
und ihr Sagen,
hin zu weiten Parkanlagen
Still bin ich,
dass ich verstehe
jener Räume großer Nähe,
ich ihr Wesen
voll begreife
und an dieser Schlichtheit reife
Orte - konkret
Alte Synagoge, Erfurt
Im 11. Jahrhundert
geschaffen,
ständige Umbauten,
seither
Erweitert das Gebäude,
aufgestockt
(Biforium in der Westwand,
Fensterrosette)
Vielfach gekränkt:
als Speicher benutzt
fünf Jahrhunderte,
als Tanzsaal
(Kegelbahnen
im Kellergewölbe)
Wie viel Atem bleibt
jenem Gotteshaus?
Bauhaus, Weimar
Es geleitet
mich durch Räume, schrägwandig,
Walter Gropius,
bietet Platz mir
auf dem Stuhl,
dreibeinig,
gießt Tee mir
aus der Kanne,
dreifüßig,
weist über-
mütig auf über-
morgen
Nachruf
Orte
Orte - wozu?
Darin
wir leben, lieben,
gebären,
Feiern begehen,
Dunkelheiten aushalten
Orte - warum?
Um uns zu bergen
eine Weile,
uns zurückzudrängen,
bis wir fortgehen
in andere Wirklichkeiten
unter selbem Himmel
Orte - der letzte Ort
für den müden Leib:
das kleine Gefäß,
erdwärts,
(der Seele aber
Himmelsweite)